Kommentar :Ein bisschen Frieden

Jede Woche aufs Neue herrscht auf den Sportplätzen dieser Republik Ausnahmezustand. Spieler gegen Spieler, Trainer gegen Trainer, Fans gegen Schiedsrichter, Fans gegen Fans - wo man auch hinschaut, erblickt man Wut und Aggression. Das muss sich ändern, sagt Benjamin Gries.

Zeige Bild in LightboxEin Bröltaler Spieler hilft Sören Heinzelmann auf
Es sind Szenen wie diese, die man sich wieder vermehrt wünscht: Ein Bröltaler Spieler hilft Sören Heinzelmann auf

Ein bisschen Frieden, ein bisschen Sonne
für diese Erde, auf der wir wohnen.
Ein bisschen Frieden, ein bisschen Freude,
ein bisschen Wärme, das wünsch' ich mir.

Mit diesen Zeilen gewann die deutsche Schlagersängerin Nicole im Jahr 1982 den Eurovision Song Contest. In Zeiten von Krieg, Unterdrückung und Fremdenhass sind diese Zeilen im Jahr 2019 aktueller denn je. Nicoles Refrain lässt sich aber nicht nur auf globale Probleme, sondern auch auf viel banalere Dinge wie zum Beispiel den Sportplatz übertragen.

Jede Woche aufs Neue herrscht auf den Sportplätzen dieser Republik nämlich Ausnahmezustand. Spieler gegen Spieler, Trainer gegen Trainer,  Fans gegen Schiedsrichter, Fans gegen Fans - wo man auch hinschaut, erblickt man Wut und Aggression. In diesen Momenten ist der Fairness-Gedanke so weit entfernt wie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von einer Diät.

Dabei ist das Problem längst nicht mehr nur ein Alleinstellungsmerkmal des Seniorenfußballs. Mittlerweile hat sich der Virus bis weit in den Juniorenfußball und stellenweise sogar bis in den Kinderfußball hereingefressen. Es grenzt an Absurdität und zeigt bedenkenswerte Entwicklungen an, wenn inzwischen schon Spiele zwischen 10-jährigen Kindern vor der Spruchkammer landen, weil sich Trainer und Eltern nicht auf den Fairplay-Gedanken einlassen möchten und nur mit Müh' und Not vor einer Prügelei bewahrt werden können. Die üblichen Pöbeleien gegen Schiedsrichter jeden Sonntag wirken da schon fast harmlos – auch wenn man nicht Gefahr laufen sollte, etwas Bescheuertes mit etwas, was noch bescheuerter ist, zu relativieren.

Wenn man mit den Verantwortlichen spricht, sind solche Fälle schon längst keine Einzelfälle mehr. Wer etwa regelmäßig die Aktuellen Mitteilungen (AM) seines Fußballverbands liest, stolpert nahezu jede Woche über solch perverse Vorfälle.

Das muss sich ändern.

Die Fußballverbände haben das erkannt und schon einiges probiert. Angefangen bei harten Strafen für asoziales Verhalten über spezielle Regelungen für Juniorenspiele (Fair Play Ligen ohne Schiedsrichter; Betretungsverbot der Rasenfläche für die Eltern) bis hin zu Fair Play-Preisen für besonders vorbildliches Verhalten. Allein: genützt hat es – zumindest gefühlt – bis heute relativ wenig.

Das hängt zum einen mit einer – freundlich gesprochen – eher unverbindlichen Umsetzung der oben genannten Regeln zusammen – vielerorts stehen die Eltern immer noch unmittelbar neben dem Spielfeld und pöbeln den Schiedsrichter bei der ersten Aktion, bei der ihr Kind in einem Zweikampf mal etwas härter angegangen wird, an. Zum anderen sind die Fronten vielerorts schon vor dem Anpfiff verhärtet. So wird der Schiedsrichter beispielsweise gerne einmal nicht mehr als Spielleiter, sondern als Spielmanipulator und Fußballlegastheniker gesehen – nur, weil er mal vor fünf Jahren in einem Freundschaftsspiel eine Abseitsposition der eigenen Mannschaft nicht erkannt hat. Aber auch die Schiedsrichter und die Fußballverbände haben ihren Anteil an der aggressiven Grundstimmung auf den Fußballplätzen und gehen gegen Einzelfälle, wo einzelne Schiedsrichter vermutlich aus persönlichen Befindlichkeiten bewusst eine Mannschaft benachteiligen, nicht hart genug vor. So entsteht ein Kreislauf, in dem alle Seiten so lange fleißig pauschalisiern, bis die Fronten tatsächlich so verhärtet sind, dass an Fair Play nicht mehr zu denken ist.

Will man diese Situation aufbrechen, müssen die beteiligten Akteure mit aller Konsequenz handeln. Das gilt für Spieler, Trainer und Zuschauer der Vereine, die sich wiederholt asozial verhalten und dafür vom Fußballverband solange mit Maßnahmen zur Förderung der Gemeinschaft und Fairness bedacht werden müssen, bis sich eine spürbare Verbesserung einstellt. Das gilt aber auch für Schiedsrichter, die regelmäßig beobachtet werden müssen und sich trotz aller persönlichen Befindlichkeiten nie gegen eine einzelne Mannschaft richten dürfen. Und schließlich gilt das ebenso für die Fußballverbände, die zu mehr Engagement in diesem Bereich und einem konsequenteren Auftreten gegenüber Vereinen und Schiedsrichtern aufgefordert sind.

Nur dann kann sich die Hoffnung auf ein bisschen Frieden einstellen.

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Benjamin Gries

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